Nachhaltigkeit
Interview vom 05.07.2023, Melanie Bernard & Steffen Lebherz
Vor etwas mehr als 2 Jahren sind wir in unser neues Office-Gebäude ML58 nach Leinfelden-Echterdingen umgezogen. Das Gebäude wurde von unserem Vermieter komplett saniert, in die Photovoltaikanlage haben wir aber selbst investiert. Für unser Ziel in Richtung Klimaneutralität ist das ein wichtiger Schritt.
Mit Steffen, Director Project Portfolio Management & Controlling, habe ich über die Idee, die Planung, die Hürden, den Zeitplan und die Einsparungen gesprochen.
Melanie: Hallo Steffen, lass uns erst mal über das Gebäude sprechen und warum S&P in Leinfelden-Echterdingen gelandet ist.
Steffen: Die Erweiterungsmöglichkeiten in den alten Büroräumlichkeiten haben wir aufgrund unseres Wachstums komplett ausgereizt. Wir suchten etwas Neues, das größer und moderner war. Nach längerer intensiver Suche sind wir auf dieses Objekt gestoßen. Es stand leer, war aus den Anfängen der 70er-Jahre und hatte genau diesen Rough-Style, den wir uns wünschten. Damals gab es nur einen Entwurf, wie das neue Gebäude aussehen soll. Für den Rückbau und die Sanierung hatte unser Vermieter einen Architekten beauftragt. Beim Innenausbau und auch für nachhaltige Umbauten konnten wir uns voll einbringen. Wir hatten da große Freiheiten in der Gestaltung.
Unser Vermieter meinte: Mit einem Mietvertrag über 10 Jahre habt ihr einen großen Gestaltungsfreiraum. Ihr könnt euch ein passgenaues Setting mit dem Architekten überlegen und realisieren. Wir haben das Konzept dann zusammen entwickelt.
Melanie: War die Photovoltaikanlage von Anfang an für dieses Gebäude geplant?
Steffen: Nein. Das Objekt kann aufgestockt werden und anfangs hatte ich die Idee einer Dachterrasse. Doch aufgrund der Umbaukosten für die Brandschutzvorgaben und der Dachterrasse selbst, haben wir das verworfen. Kurzum: zu teuer. Dann habe ich mir die Frage gestellt, was machen wir mit dem Dach. Ich fragte meinen Kollegen Horst Reichert, wie es mit einer Photovoltaikanlage im Hinblick auf S&P goes green wäre.
Ein Unternehmen aus Hamburg, mit Technikern und Vertrieb in München (ist näher zu uns), hat uns ein Angebot mit den potenziellen Einsparungen erstellt. Die Energy Project Solutions GmbH ist eine All-in-one-Firma, die sich um alles kümmern, von der Planung bis zur Umsetzung. Das war mir sehr wichtig. Ich empfehle das jedem, der sich nicht voll mit der Materie auskennt und wenig Zeit hat, sich nebenbei damit zu beschäftigen. Es war tricky, denn die Errichtung musste in das ertüchtigte Bestandsgebäude integriert werden. Kabel wurden übers Dach durch den Schacht in den Keller zu den Wechselrichtern und von dort zu der Niederspannungshauptverteilung gezogen. Dann noch zum neu gesetzten Zähler, über den wir Strom einspeisen oder Strom aus dem Netz ziehen.
Für die Dachfläche unseres neuen Office haben wir einen Zusatz-Mietvertrag abgeschlossen, um die Photovoltaikanlage darauf errichten zu können.
Melanie: Warum haben wir uns dafür entschieden? Was waren die Hauptgründe?
Steffen: Hierfür waren verschiedene Aspekte ausschlaggebend.
1. Eine autonome Stromerzeugung und damit eine gewisse Unabhängigkeit vom Strommarkt. Die wilden Preisschwankungen am Strommarkt der vergangenen Jahre wollten wir für uns »kappen«. Eine komplett autarke Stromerzeugung ist damit in unseren Breitengraden aber leider nicht möglich. Dafür bräuchte die Photovoltaikanlage einen groß dimensionierten teuren Speicher. Im Winter reicht die Sonneneinstrahlung deshalb nicht, um den gesamten Strombedarf zu decken. Unterdeckung muss aus dem Netz bezogen werden, Überschuss kann dafür aber direkt eingespeist werden.
2. Kosteneinsparung auf lange Sicht. Laut konservativer Abschätzung ist eine Amortisation nach ca. 8 Jahre möglich.
3. Die nachhaltige Stromerzeugung war für uns einer der Hauptgründe. S&P goes green. Unser Footprint hat sich dadurch erheblich verbessert.
4. Außerdem wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn wir etwas für die Umwelt tun, wirkt sich das positiv auf unser Mitarbeiter aus. Und vielleicht schaffen wir es auch, noch mehr Firmen dazu zu bewegen, diesen Schritt vorzunehmen. Unsere Ökobilanz haben wir deutlich verbessert. Damit tragen wir zur Vermeidung von klimaschädlicher Energieerzeugung bei.
Auswertung des Erstjahreszyklus von Ende Juli 2022 bis Ende Juli 2023.
Für diese Auswertung nutzen wir die FusionSolar App von Huawei. Diese App hilft den Nutzern ihre PV-Module einfach und effizient zu kontrollieren und zu steuern. Mit einer intuitiven Oberfläche bietet diese App eine Komplettlösung für die Verwaltung von Solarpanels mit Photovoltaikanlagen.
Melanie: Gab es damals Regierungspläne oder Bauvorgaben?
Steffen: Nein. Es gab gewisse Bauauflagen und eine Energiesparverordnung, aber eine Photovoltaikanlage gehörte nicht dazu. Wir mussten bei der Dämmung einiges beachten. Das Haus ist komplett thermisch eingepackt wie in einen dicken Mantel (KfW-Standard) und auch die Fenster sind neu.
Zwischenzeitlich sieht die Sache in Baden-Württemberg anders aus: Ab 1. Mai 2022 gilt in Baden-Württemberg die Photovoltaik-Pflicht für neue Wohngebäude, ab Januar 2023 greift diese auch bei allen grundlegenden Dachsanierungen.
Melanie: Inbetriebnahme war Ende Juli 2022? Wann wurde mit dem Bau begonnen? (Hinweis: Das Projekt lief während der Corona-Phase.)
Steffen: Leider hatte sich der Montagestart aufgrund der schwierigen Beschaffung von Februar auf April 2022 verzögert. Ursprünglich war eine Realisierungszeit von 4 Monaten angesetzt und die Inbetriebnahme für April 2022 geplant. Die Anlage war zwar ab Juli betriebsbereit, doch dann gab es, wie kann es auch anders sein, Verzögerungen beim Einbau des neuen Zählers und der Abnahme durch EnBW. Das war ärgerlich und hat Wochen gedauert.
Melanie: Was waren die größten Herausforderungen/Hürden für den Bau und die Genehmigungen?
Steffen: Erstens sehr hohe bürokratische Hürden durch Behörden und die Antragsstellung bei der Netze BW. Darauf muss man sich einstellen. Zweitens, Beschaffungsengpässe bei der Unterkonstruktion. Die Paneele wurden bereits mit Bestellung im Dezember 2021 reserviert, aber erst 5 Monate dank fehlender Unterkonstruktion später geliefert. Drittens, die ganzen Anträge auszufüllen. Das war ein Heckmeck.
Melanie: Was haben wir für eine Photovoltaikanlage, eine Aufdachanlage?
Steffen: Ja. Die Anlage liegt niedrig aufgeständert auf unserem Flachdach. Quasi schwimmend auf dem Dach. Sie ist nicht verankert, sondern nur beschwert. Das muss ordentlich durch einen Statiker bestimmt werden.
Melanie: Was leistet unsere Anlage?
Steffen: Die Anlage besitzt 99,9 kWp (Kilowatt-Peak). Das ist das Maximum bei Auftragserteilung, sonst gelten wir als Stromgewerbebetreibender und werden anders eingestuft. Natürlich speisen wir mit unserer Anlage überschüssige Energie ins Netz ein, das ist zulässig.
Melanie: Decken wir damit unseren kompletten Stromverbrauch ab oder kaufen wir noch zu?
Steffen: Beides. Überdeckung eher im Sommer, der Strom fließt dann ins Netz, wobei die Vergütung sehr gering ist und Unterdeckung eher in der dunklen Jahreszeit.
Melanie: Wie viele Strom haben wir seither damit erzeugt?
Steffen: Stand heute haben wir bereits 18,8 MWh (Megawattstunden) gegenüber dem Vorjahresbezug eingespart. Im Dezember 2023 haben wir dann den ersten vollen Jahreszyklus.
Melanie: Lohnt sich die Photovoltaikanlage für uns?
Steffen: Absolut. Wenn wir jährlich ca. 12.000 € Strom einsparen, dann haben wir den angestrebten ROI in ca. 8 Jahren erreicht. Von Januar bis Juli 2023 haben wir laut Monitoring bei 40 ct/kWh Bezugskosten von 7.875 € gespart. Wir liegen somit voll auf Plan. Die Anlage erzeugt sogar ca. 15 % mehr Strom als ursprünglich angenommen bzw. berechnet wurde. Ok, das liegt natürlich auch an den sonnigen Monaten in diesem Jahr.
Tipp für die Anschaffungskosten bzw. die Finanzierung: Wir haben die Anlage gekauft und bezahlt, aber dann im Sale-and-Lease-Back Verfahren noch mal veräußert. Das heißt, wir zahlen einen monatlichen Obolus, also eine Leasingrate. Die Differenz zwischen dem, was wir im Schnitt monatlich an Kosten einsparen und dem, was wir bezahlen, beträgt ungefähr ein Plus von 25 %. Wir holen somit mehr raus, als dass es uns kostet.
Melanie: Gibt es Gelder/eine Förderung durch die Regierung für Unternehmen, die eine Photovoltaikanlage installieren?
Steffen: Nein. Wir erhalten nur Geld fürs Einspeisen ins Stromnetz. Das ist aber sehr spärlich.
Melanie: Wie sehen die Wartung und die Pflege der Anlage aus?
Steffen: Das hält sich im Rahmen. Einmal jährlich steht eine Inspektion mit Sichtprüfung an. Wir wollen aber zusätzlich noch einen Wartungsvertrag abschließen.
Melanie: Haben wir Pläne, die Photovoltaikanlage zu erweitern oder andere erneuerbare Energietechnologien einzusetzen?
Steffen: Nein, da wir den zulässigen Ausbau bereits voll ausgeschöpft haben. Sei es vom Platz her, wir haben 900 m² Dach und 700 m² Anlage und wie oben genannt mit dem Kilowatt-Peak von 99,9 kWp. Wir sind nur Mieter und unser Vermieter strebt aktuell keinen Umbau in Richtung Wärmetauscher, Erdsonden oder Ähnliches an, da das Objekt komplett saniert und modernisiert wurde. Auch die Gasheizung ist neu, wir beziehen Ökogas. Das Gebäude ist nach den aktuellen baulichen Richtlinien hinsichtlich Wärmeschutz isoliert.
Melanie: Welche Ratschläge hast du für Unternehmen, die ebenfalls eine Photovoltaikanlage installieren möchten?
Steffen: Auf alle Fälle die Gesamtinstallation in eine Hand geben. Es gibt Schnittstellen zum Bauwerk, für die ansonsten der Bauherr verantwortlich ist und schnell technisch überfordert sein kann. Es sind sowieso noch weitere Spezialisten gefordert. Und starke Nerven (lacht). Was viel Zeit in Anspruch nimmt, ist der Antrag- und Bewilligungsprozess sowie nach der Implementierung der notwendige Zählertausch und behördliche Zustimmung zur Einspeisung.
Doch in Summe lohnt es sich auf jeden Fall. Nicht nur für uns, sondern vor allem für die Umwelt.